2024-12-12 10:15:00 - Zivilrecht: Widerrufsrecht bei versiegelter Ware

Zivilrecht: Widerrufsrecht bei versiegelter Ware
12.12.2024

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht Andreas Mohr

 

Frage: Ich habe im Internet ein Inhaliergerät bestellt, welches bei Benutzung jedoch leider unangenehm nach Plastik roch. Um das Gerät zu testen, musste ich ein an dem Mundstück angebrachtes „Hygiene-Siegel“ entfernen. Wegen des unangenehmen Geruchs habe ich von meinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht und das Gerät an den Verkäufer zurückgeschickt. Dieser stellt sich nun aber auf den Standpunkt, dass bei versiegelter Ware aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Hygiene kein Widerrufsrecht bestehe. Hat der Verkäufer Recht?

Antwort: Das Widerrufsrecht soll Verbraucher bei Fernabsatzverträgen oder Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen schützen, da sie die Ware oder Dienstleistung vor Vertragsabschluss in der Regel nicht sehen oder prüfen können. Um diesen Nachteil auszugleichen, erhalten Verbraucher eine angemessene Bedenkzeit, in der sie die Ware testen können. Gleichzeitig soll aber auch der Verkäufer in bestimmten Fällen davor geschützt werden, dass die Ware nach einem Widerruf nicht mehr nutzbar ist. Daher bestimmt § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB, dass das Widerrufsrecht ausgeschlossen ist, wenn es sich um einen „Vertrag zur Lieferung versiegelter Waren [handelt], die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“. 
Dieser Ausschluss ist grundsätzlich eng auszulegen. Er bezieht sich auf solche Waren, die nach Entfernung der Versiegelung und Rücksendung durch den Käufer aus gesundheitlichen oder hygienischen Gründen nicht mehr weiterverwertet werden können, z.B. Arzneimittel, Kosmetika, Lebensmittel oder Erotikspielzeug. Der Ausschluss greift jedoch nur, soweit eine Weiterverwertung tatsächlich dauerhaft ausgeschlossen ist. Bloße Verwertungserschwernisse reichen nicht aus. Lässt sich die Ware z.B. durch Reinigung oder Desinfektion wieder verkehrsfähig machen, greift der Ausschluss nicht. So hat der EuGH bereits entschieden, dass bei Matratzen ein Widerrufsrecht besteht, sie also nicht unter den genannten Ausschluss fallen, da ihre mehrfache Benutzung in der Hotellerie durchaus üblich ist, ein Markt für gebrauchte Matratzen besteht und eine Reinigung von Matratzen möglich ist.
Auch bei Inhaliergeräten dürfte eine Weiterverwertung möglich sein. Auch hierfür gibt es einen Gebrauchtmarkt. Die Mundstücke lassen sich oft einfach reinigen oder austauschen, sodass eine Gesundheitsgefahr im Rahmen der Weiterverwertung ausgeschlossen werden kann.

Tipp: Gelegentlich versuchen Verkäufer, das Widerrufsrecht durch Verweis auf Ausschlüsse zu umgehen, die tatsächlich gar nicht einschlägig sind. Hier sollte man im Zweifel fachkundigen Rat suchen.