Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Maximilian Schiessel
Frage: Am vergangenen Wochenende wurde ich beim Spazierengehen am Tuniberg von einem Hund attackiert und durch mehrere Bisse in den Unterschenkel so schwer verletzt, dass die Wunde mit mehreren Stichen genäht werden musste. Der Hundehalter behauptet, er habe keine Schuld, weil der Hund an der Leine geführt wurde. Kann ich Schmerzensgeld von dem Hundehalter verlangen?
Antwort: Glaubt man den aktuellen Erhebungen, dann ereignen sich in Deutschland jährlich 30.000–50.000 Bissverletzungen. Ca. 60-80 % dieser Bissverletzungen werden durch Hunde verursacht. Nicht selten kommt es dabei zu schwersten Verletzungen, die eine intensiv-medizinische oder jedenfalls chirurgische Behandlung erforderlich werden lassen. Insbesondere bei Katzen-, aber auch bei Hundebissen besteht zudem ein gesteigertes Infektionsrisiko.
Die Rechtslage ist in Deutschland sehr klar ausgestaltet: Handelt es sich nicht um ein Nutztier, haftet der Tierhalter bzw. die Tierhalterin verschuldensunabhängig. Ob das Tier angeleint, oder unangeleint war, spielt daher grundsätzlich keine Rolle.
Die Abwicklung eines solchen Personenschadens gestaltet sich in der Praxis häufig äußerst kompliziert. So denken Geschädigte in der Regel nur an ein Schmerzensgeld, übersehen dabei aber, dass sich eine Vielzahl weiterer Ansprüche aus einem Personenschaden ableiten lässt. Je nach Art und Umfang des Krankenversicherungsschutzes und der sozialversicherungsrechtlichen Begleitumstände kommen auch Ansprüche auf Ersatz der Heilbehandlungs- und Pflegekosten, sowie Ersatz des Verdienst- und Haushaltsführungsschadens oder sonstiger, vermehrter Bedürfnisse in Betracht. Ein spezialisierter Anwalt überblickt die Wechselwirkungen in versicherungsrechtlicher, sozialversicherungsrechtlicher und haftungsrechtlicher Hinsicht.
Geschädigte sehen sich dann ohne anwaltliche Unterstützung einem in jeder Hinsicht überlegenen „Gegner“ ausgeliefert: der Haftpflichtversicherung des Tierhalters bzw. der Tierhalterin. Dort treffen die Geschädigten dann auf eine spezialisierte Schadensachbearbeitung des Versicherers. Man sollte sich schnellstmöglich anwaltlich beraten lassen und Geschädigte sollten nicht selbst mit dem Haftpflichtversicherer oder dem betroffenen Tierhalter über Ansprüche verhandeln.
Wichtiges im Überblick: Wenn Sie Opfer einer Bissverletzung geworden sind, dann ziehen sie zur Beweissicherung im Zweifel über den polizeilichen Notruf die Polizei hinzu. Verständigen Sie bei Verletzungsfolgen, die sich nicht offensichtlich als Bagatellverletzung darstellen, grundsätzlich immer den Notruf, auch um eine rasche medizinische Versorgung sicherzustellen. Führen Sie im verletzten Zustand keinesfalls selbst ein Kraftfahrzeug, einen eScooter, ein Fahrrad, etc. die Hinzuziehung der Polizei bei einem Personenschaden kann auch hilfreich sein, um Beweise zu sichern. Diese Empfehlung gilt im Grunde auch für Personenschäden aus Verkehrsunfällen, Körperverletzungsdelikten oder sonstigen Unfällen. Unterschätzen Sie keinesfalls die gesundheitlichen Risiken, die mit einer Bissverletzung verbunden sind. Lassen Sie sich schnellstmöglich anwaltlich beraten, damit ihre Ansprüche berechnet und geltend gemacht werden können.