Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Thilo Köhler
Immer häufiger treten Konflikte im Zusammenhang mit der Frage nach der Zulässigkeit der Auswertung von Videoaufnahmen aus Überwachungskameras beim Arbeitgeber auf. Insbesondere wenn der Vorwurf im Raum steht, es habe einen Arbeitszeitbetrug gegeben, stellt sich die Frage, ob zum Beweis des entsprechenden Vorwurfs auf Aufzeichnungen aus solchen Kameras zurückgegriffen werden kann.
Nun hat das Bundesarbeitsgericht am 29.6.2023 entschieden, dass die Verwertung von Videoaufzeichnungen als Beweismittel durch einen Arbeitgeber zulässig war, obwohl der Arbeitgeber im Zusammenhang mit den Videoaufnahmen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen hat.
Was war geschehen? Der Arbeitgeber hatte einen anonymen Hinweis darauf erhalten, dass ein bestimmter Arbeitnehmer vor längerer Zeit zwar morgens am Arbeitsplatz erschienen war, entgegen seinen eigenen Aufzeichnungen aber die entsprechende Schicht im Betrieb gar nicht erst angetreten, sondern das Firmengelände sogleich wieder verlassen hatte. Das war durch eine Videoaufzeichnung an einem der Eingänge zum Firmengelände dokumentiert worden.
Auf den entsprechenden Hinweis hin wertete der Arbeitgeber die schon alte Video-aufzeichnung vom entsprechenden Tag aus und kündigte das Arbeitsverhältnis wegen Arbeitszeitbetruges. Der Arbeitnehmer wehrte sich gegen die Kündigung und berief sich darauf, der Arbeitgeber habe die entsprechende Videoaufzeichnung nicht anfertigen und auch nicht über einen langen Zeitraum aufbewahren dürfen.
Das Bundesarbeitsgericht aber stellte fest, dass die Auswertung dieser Videoaufnahmen und das daraus resultierende Beweismittel für den Arbeitszeitbetrug des Arbeitnehmers zur Begründung der Kündigung gegen diesen verwendet werden durften, obwohl bei der Erstellung der Videoaufnahmen Datenschutzverstöße begangen wurden. So steht fest, dass die entsprechenden Aufnahmen längst hätten gelöscht werden müssen und auch ihre Erstellung im Rahmen einer sogenannten anlasslosen Überwachung problematisch war. Das Bundesarbeitsgericht kam zu dem Schluss, dass ein Beweisverwertungsverbot im konkreten Fall nicht vorlag, da die Videoaufzeichnung nicht mit einer schwerwiegenden Grundrechtsverletzung des Arbeitnehmers einherging.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts stellt aber keinen Freifahrtschein dar. Die Fragen zur Überwachung am Arbeitsplatz lassen sich weiterhin nicht pauschal beantworten und müssen in jedem Einzelfall konkret geprüft werden. Unternehmen ist gleichwohl davon abzuraten, ohne besonderen Anlass und ohne Abstimmung mit den zuständigen Gremien kurzerhand drauflos zu filmen. Wer wiederum mit der Existenz entsprechender Aufnahmen oder Aufzeichnungen konfrontiert wird, sollte sich vor Abgabe irgendwelcher Erklärungen unbedingt beraten lassen.