2022-07-13 11:30:00 - Erbrecht: Erbengemeinschaft vermeiden?!

Erbrecht: Erbengemeinschaft vermeiden?!
13.07.2022

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Prof. Dr. Johannes Gröger

 

Frage: Ich bin verwitwet und habe zwei erwachsene Kinder, die sich nicht gut miteinander verstehen, sodass ich große Sorge habe, dass einmal Streit um das Erbe entsteht. Meine Tochter lebt in meiner Nähe und kümmert sich auch um mich. Mein Sohn lebt im Ausland. Wir haben zwar ein gutes Verhältnis, er kommt aber mit seiner Schwester nicht sonderlich gut aus. Im Prinzip möchte ich meine Tochter etwas bevorzugen, als Dank dafür, dass sie sich um mich kümmert. Ich möchte allerdings auch meinen Sohn entsprechend bedenken. Ich habe gehört, dass es bei Erbengemeinschaften immer viel Streit geben kann. Wie kann ich dies vermeiden?

Antwort: Wenn kein Testament errichtet wird, wären beide Kinder vorliegend Erben zu je ein halb und würden auch eine Erbengemeinschaft bilden. Dass bei einer derartigen Konstellation Streit vorprogrammiert ist, versteht sich von selbst. Miterben können nur gemeinsam über den Nachlass verfügen. Wird man sich also nicht darüber einig, was mit dem Nachlass geschehen soll, oder streitet man über den Wert, so sind gerichtliche Auseinandersetzungen nahezu unvermeidlich.

Vorliegend besteht aber auch die Möglichkeit, dass die Tochter zur Alleinerbin eingesetzt wird. Zugunsten des Sohnes kann dann ein Vermächtnis angeordnet werden, sodass auch dieser seinen Anteil am Erbe erhält. Das Vermächtnis sollte so ausgestaltet sein, dass es über dem Pflichtteil des Sohnes liegt. Der Sohn wäre gesetzlicher Erbe zu 1/2 geworden. Das zu seinen Gunsten mit Testament angeordnete Vermächtnis sollte also höher als 1/4 des Gesamtnachlasses sein. Damit wird verhindert, dass der Sohn das Vermächtnis ausschlägt und stattdessen seinen Pflichtteil verlangt. Da die Tochter Alleinerbin wird, kann sie völlig selbstständig über den Nachlass verfügen. Ist zum Beispiel eine Immobilie im Nachlass, kann diese einfach umgeschrieben werden. Zu bedenken ist, dass natürlich ausreichend liquide Mittel vorhanden sein müssen, um das Vermächtnis auch auszahlen zu können. Das Vermächtnis kann aber auch darin bestehen, dass dem Sohn zum Beispiel eine im Nachlass vorhandene Eigentumswohnung (als Vermächtnis) zugedacht wird. Auch dies ändert nichts daran, dass die Tochter Alleinerbin wäre. In dem Testament sollte auch stehen, in welchem Zeitraum das Vermächtnis von der Alleinerbin zu erfüllen ist, damit hier nicht unnötig Zeitdruck entsteht.

 

Tipp: Neben der Gestaltung eines Testaments mit der Anordnung von Vermächtnissen sind natürlich auch zahlreiche andere Gestaltungsmöglichkeiten denkbar. Empfohlen wird beispielsweise auch, die erbrechtliche Regelung bereits zu Lebzeiten umzusetzen. Dies könnte zum Beispiel in der Art erfolgen, dass beiden Kindern bereits zu Lebzeiten Vermögen zugewandt wird, verbunden mit der Anordnung, dass insoweit keine weiteren Ansprüche mehr zwischen den Geschwistern bestehen.