Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Prof. Dr. Johannes Gröger
Frage: Wir sind seit über dreißig Jahren miteinander verheiratet und haben gemeinsam zwei Kinder. Neben einem Eigenheim besteht unser Vermögen im Wesentlichen noch aus einem geerbten Mehrfamilienhaus, einem Ferienhäuschen und diversen Geldanlagen. Wir wollen uns natürlich mit einem sog. Berliner Testament wechselseitig zu Alleinerben einsetzen. Unsere Kinder sollen erst beim Versterben des Längstlebenden von uns beiden erben. Wir haben jetzt Bedenken, ob wir nicht vielleicht viel Erbschaftsteuer „verschenken“.
Antwort: Das sog. „Berliner Testament“ ist auch heute noch das am meisten verwendete Testament. Oftmals leider mit der Konsequenz, dass Erbschaftsteuerfreibeträge verschenkt werden und letztendlich vermeidbare Erbschaftsteuer anfällt. Erbt zunächst der überlebende Ehepartner, stellt dies quasi die Enterbung der Kinder für diesen ersten Erbfall dar. Die den Kindern jeweils zustehenden Freibeträge in Höhe von derzeit je € 400.000,00 können von diesen nicht in Anspruch genommen werden, da sie ja nichts erben.
Verstirbt dann der länger lebende Elternteil, besteht sein Nachlass nun sowohl aus seinem ursprünglich eigenen Vermögen als auch zusätzlich aus dem Vermögen, das dieser zuvor geerbt hat. Jetzt steht den erbenden Kindern wiederum je ein Freibetrag von € 400.000,00 zur Verfügung. Da jedoch oftmals das Vermögen der Eltern diese Freibeträge übersteigt, fällt Erbschaftsteuer in zum Teil erheblicher Höhe an.
Um dies zu verhindern, gibt es eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten. So kann den Kindern zum Beispiel eine Immobilie vererbt und der Nießbrauch vorbehalten werden. Auch ein sogenanntes „Supervermächtnis“ kann helfen, Erbschaftsteuerfreibeträge auszunutzen. Ein solches „Supervermächtnis“ eröffnet die Möglichkeit, dass der länger lebende Ehepartner den Kindern Vermögen aus dem Nachlass des zuerst versterbenden Ehepartners, bis zur Höhe der den Kindern zustehenden Freibeträge, zuwendet.
Tipp: Gerade bei größeren Elternvermögen sollte frühzeitig über völlig legale Gestaltungsvarianten beim Abfassen von Testamenten nachgedacht und Beratung eingeholt werden. Gleichzeitig sollten auch die Möglichkeiten der Übertragung von Vermögen zu Lebzeiten der Eltern geprüft werden. Sollte der erste Erbfall aber schon eingetreten sein, so sollte auch darüber nachgedacht werden, ob die Kinder, in Abstimmung mit dem noch lebenden Elternteil, (noch) ihren Pflichtteil geltend machen (können). Dieser Pflichtteil vermindert nämlich das Erbe des (zunächst) überlebenden Elternteils und infolge dessen auch sein eigenes Vermögen, das er später seinen Kindern vererbt. Zumindest in Höhe dieses Pflichtteils können die Kinder dann auch beim ersten Erbfall ihre Steuerfreibeträge nutzen.