Fachanwalt für Arbeitsrecht Thilo Köhler, Freiburg
Frage: Ich habe im vergangenen Jahr meinen Urlaub nicht vollständig genommen. Es sind einige Tage übriggeblieben. Ich habe es schlicht versäumt, einen entsprechenden Antrag auf Urlaubsgewährung zu stellen. Sind diese Ansprüche nun verloren?
Antwort: Nach der Gesetzeslage verfallen Urlaubsansprüche mit dem Ende des Urlaubsjahres, spätestens aber Ende März des Folgejahres ersatzlos. Der Hintergrund für diese auf den ersten Blick etwas befremdliche Regelung ist, dass der Gesetzgeber großen Wert darauf legt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im laufenden Jahr auch tatsächlich Urlaub nehmen und sich erholen. Um dieses Ziel zu erreichen, verbietet das Gesetz das Anhäufen von Urlaubsansprüchen über mehrere Jahre oder auch die Umwandlung des Anspruchs auf Gewährung von Urlaub in finanzielle Abgeltungsansprüche. Eine Urlaubsabgeltung ist grundsätzlich erst zulässig, wenn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Urlaubsansprüche unerfüllt sind. Eine Ansammlung von Urlaubsansprüchen über mehrere Jahre hinweg erfolgt eigentlich nur bei langandauernder Erkrankung - einer Ausnahmesituation, in welcher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich nicht in der Lage sind, ihren Urlaub zu nehmen. Eine Übertragung von Urlaubsansprüchen in das Folgejahr ist sonst grundsätzlich nur im Ausnahmefall möglich. Ende März des Folgejahres verfallen diese - so der Gesetzestext.
Der europäische Gerichtshof aber und nunmehr ganz aktuell auch das Bundesarbeitsgericht weichen diese Bestimmungen auf:
Ausgehend von dem Grundgedanken, dass Urlaubsansprüche nur dann automatisch verfallen, wenn die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer auch tatsächlich in der Lage war, ihren bzw. seinen Urlaub auch wirklich anzutreten, wird vom Arbeitgeber nunmehr verlangt, dass er rechtzeitig auf den drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen zum Jahresende bzw. spätestens zum 31. März des Folgejahres hinweist. Die Gerichte lassen bisher offen, in welcher Form bzw. bis zu welchem Zeitpunkt dieser Hinweis spätestens ergangen sein muss. Ein entsprechender Aushang am schwarzen Brett oder die schlichte Angabe des Resturlaubs in der Lohn- und Gehaltsabrechnung dürften hierfür aber nicht genügen.
Tipp: Da die wegweisende Entscheidung des europäischen Gerichtshofs, welche vom Bundesarbeitsgericht nunmehr bestätigt wurde, bereits im vergangenen Jahr ergangen ist, macht es unter Umständen durchaus Sinn, die Frage, ob eigentlich zum Jahreswechsel verfallene Urlaubsansprüche nicht doch noch bestehen, prüfen zu lassen. Arbeitgeber wiederum tun gut daran, ihre Beschäftigten frühzeitig und nachweislich dazu anzuhalten, ihren Jahresurlaub auch im laufenden Urlaubsjahr zu nehmen und darauf hinzuweisen, dass nicht genommener Urlaub verfällt. Unterbleibt dies, so droht spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Streit um dann vorzunehmende Urlaubsabgeltung.
RA Thilo Köhler, Fachanwalt für Arbeitsrecht