Rechtsanwältin Alexandra Himmelreich, Freiburg
Frage: Ich habe durch einen fremdverschuldeten Unfall einen nahen Angehörigen verloren. Steht mir für die hierdurch erlittene Trauer ein Schmerzensgeld zu?
Antwort: Bislang hat ein Hinterbliebener, der einen nahen Angehörigen unfallbedingt verloren hat, nur unter sehr engen Voraussetzungen ein Schmerzensgeld für sich beanspruchen können. So musste beim Hinterbliebenen selbst ein sogenannter Schockschaden vorliegen, also als Folge des Todesfalls eine Gesundheitsbeeinträchtigung, welche durch eine „über das übliche Maß“ hinausgehende Trauer verursacht wurde und medizinisch nachweisbar war. Nun stellt sich schon die Frage, wann das Trauern die Grenze der sogenannten Normalität überschreitet und wann auch noch eine eigene Gesundheitsbeeinträchtigung vorliegt. Aufgrund dieser (Beweis-) Schwierigkeiten und weil in anderen europäischen Ländern bereits Regelungen vorhanden sind, welche nahen Angehörigen ohne strenge Voraussetzungen ein Schmerzensgeld zusprechen, ist nun am 22.07.2017 die Regelung des § 844 Absatz 3 BGB in Kraft getreten. Nach Satz 1 der Regelung ist dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Aufgrund der neuen Regelung wird nun in Satz 2 gesetzlich vermutet, dass ein besonderes persönliches Näheverhältnis vorliegt, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner im Sinne des § 1 Absatz 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG), ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war. Daneben sollen mit Blick auf heute gelebte verschiedene Familiensituationen (z. B. sog. „Patchwork“-Familien) aber auch Personen anspruchsberechtigt sein, die mit dem Getöteten nicht in einer formalen familienrechtlichen Beziehung standen. Dies kann gegeben sein, wenn zwischen dem Hinterbliebenen und dem Getöteten eine besondere, tatsächlich gelebte soziale Beziehung bestand, die in ihrer Intensität den soeben aufgeführten Beziehungen (Ehe / Lebenspartnerschaft / Eltern- / Kindbeziehung) entspricht. Dieses besondere Näheverhältnis muss dann allerdings vom Anspruchsteller dargelegt und gegebenenfalls bewiesen werden. Die Höhe der Entschädigung wird nach wie vor in das Ermessen der Gerichte gestellt. Gemäß der Gesetzesbegründung sollen zwar die bislang ausgeurteilten Schmerzensgeldbeträge zu den Schockschäden zur Orientierung herangezogen werden können, allerdings sei zu beachten, dass das Hinterbliebenengeld gerade keine außergewöhnliche gesundheitliche Beeinträchtigung voraussetzt - und in der Folge daher auch niedriger zu bemessen ist.
Tipp: Ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld besteht erst dann, wenn die zum Tode führende Verletzung nach dem 22.07.2017 eingetreten ist.