2015-12-09 11:45:00 - Der Rechtstipp: Erbrecht: Erbausgleichung bei besonderen Zuwendungen?

Der Rechtstipp: Erbrecht: Erbausgleichung bei besonderen Zuwendungen?
09.12.2015

Frage: Leider habe ich mit meinem Bruder ein sehr schlechtes Verhältnis und glaube, dass es später einmal zum Streit kommen wird, wenn es ums Erben geht. Bereits jetzt hat er angekündigt, dass er darauf bestehen wird, dass mein Erbe zu verringern ist, weil ich ein Hochschulstudium von unseren Eltern „finanziert“ bekommen habe; er hingegen nur eine Schreinerlehre absolviert hat. Auf der anderen Seite meine ich aber, dass auch das Startkapital (ca. € 50.000,00), das mein Bruder für seine selbstständige Schreinerei von den Eltern erhalten hat, zu berücksichtigen ist.

Antwort: Das Gesetz geht davon aus, dass den Abkömmlingen grundsätzlich das Vermögen ihrer Eltern zu gleichen Teilen zuwachsen soll. Erhält daher ein Abkömmling bereits zu Lebzeiten des Erblassers besondere Zuwendungen, so kann dies zu einer Ausgleichspflicht im Einzelfall führen. Die Anrechnung und Ausgleichung bereitet in der Praxis erhebliche Probleme, da die gesetzlichen Regelungen eine große Bandbreite für eine subjektive Beurteilung und Auslegung bieten. Es kommt also immer auf den Einzelfall an. Entspricht also z.B. die Finanzierung des Studiums den finanziellen Möglichkeiten der Eltern, so findet keine Anrechnung bzw. Ausgleichung im Erbfall statt. Anders kann dies z.B. bei einem Zweitstudium sein.

Auf der anderen Seite kann aber ein erheblicher Geldbetrag, mit dem ein Kind z.B. „zur Erlangung einer selbstständigen Lebensstellung“ ausgestattet wird, durchaus ausgleichspflichtig sein. Hierzu kann eine „Finanzspritze“ zur Selbstständigkeit ebenso ausgleichspflichtig sein, wie etwa eine üppige „Aussteuer“ zur Hochzeit des Kindes. In jedem Einzelfall kommt es auf die besonderen Umstände, die finanziellen Verhältnisse der Eltern und auf Zuwendungen auch an andere Kinder an, sodass Streit in der Regel vorprogrammiert ist. Im vorliegenden Fall wäre also eher der Zuschuss der Eltern (Startkapital für die eigene Schreinerei) als die Finanzierung des Studiums ausgleichspflichtig, sodass sich das Erbe des Bruders entsprechend zum Vorteil der anderen Geschwister verringern würde.

Tipp: Finanzielle Zuwendungen und scheinbar ungleiche finanzielle Unterstützungen zwischen den Kindern können immer Anlass zum Streit geben. Daher ist zu empfehlen, dass die Eltern in ihrem jeweiligen (oder bei Ehepartnern ggf. gemeinsamen) Testament in jedem Fall genau festlegen, ob es zu einer Ausgleichung unterschiedlicher oder einzelner Zahlungen an die Kinder kommen soll. Sofern einzelne Zahlungen an Kinder z.B. auch auf den Pflichtteil anzurechnen sind, ist zu beachten, dass diese Anrechnung bereits mit der Zahlung oder Zuwendung bestimmt worden seien muss. Eine nachträgliche einseitige Bestimmung ist insoweit nicht zulässig.