2015-07-15 10:15:00 - Der Rechtstipp: Erbrecht: Berliner Testament- Wirklich immer richtig ?

Der Rechtstipp: Erbrecht: Berliner Testament- Wirklich immer richtig ?
15.07.2015

Frage: Wir sind seit über dreißig Jahren miteinander verheiratet und haben zwei Kinder. Neben einem Eigenheim besteht unser Vermögen im Wesentlichen noch aus einem geerbten Mehrfamilienhaus, einem Ferienhäuschen und diversen Geldanlagen. Wir wollen uns natürlich mit einem sog. Berliner Testament wechselseitig zu Alleinerben einsetzen. Unsere Kinder sollen erst beim Versterben des Längstlebenden von uns beiden erben. Wir haben jetzt Bedenken, ob wir nicht vielleicht viel Geld durch Anfall hoher Erbschaftsteuer „verschenken“.

Antwort: Das sog. „Berliner Testament“ ist das heute am meisten verwendete Testament, ohne dass Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner gründlich über die sich hieraus ergebenden Konsequenzen nachdenken. Erbt zunächst der überlebende Ehepartner, stellt dies quasi die Enterbung der Kinder für diesen ersten Erbfall dar. Soweit das vererbte Vermögen den Steuerfreibetrag des überlebenden Ehepartners (€ 500.000,00 und zusätzlich € 256.000,00 Versorgungsfreibetrag) nicht übersteigt, fällt zunächst keine Erbschaftsteuer an. Die den Kindern zustehenden Freibeträge in Höhe von jeweils € 400.000,00 verfallen jedoch, da die Kinder für diesen ersten Erbfall „enterbt“ wurden. Stirbt sodann der länger lebende Elternteil, so besteht dessen Erbschaft sowohl aus seinem ursprünglich eigenen Vermögen als auch zusätzlich aus dem Vermögen, welches dieser zuvor geerbt hatte. Jetzt steht den erbenden Kindern je einmal ein Freibetrag in Höhe von € 400.000,00 zur Verfügung. Da jedoch das Vermögen beider Eltern zusammen immer häufiger diese Freibeträge übersteigt, entsteht Erbschaftsteuer in zum Teil erheblicher Höhe.

Dies könnte zum Beispiel verhindert werden, indem die Kinder bereits Erben nach dem Tod des zuerst versterbenden Elternteils werden (unter Inanspruchnahme des Steuerfreibetrages von € 400.000,00). Zum „Schutz“ des überlebenden Ehepartners/Elternteils könnte in diesem Fall zu dessen Gunsten zum Beispiel ein Nießbrauch an dem Erbe der Kinder bestellt werden. Nach dem Tod des Längstlebenden könnten die Kinder dann erneut den Steuerfreibetrag in Höhe von € 400.000,00 in Anspruch nehmen.

Tipp: Gerade bei einem größerem Elternvermögen sollte frühzeitig über völlig legale Gestaltungsvarianten beim Abfassen von Testamenten nachgedacht und Beratung eingeholt werden. Sollte der erste Erbfall aber schon eingetreten sein, so sollte auch darüber nachgedacht werden, ob die Kinder - in Abstimmung mit dem noch lebenden Elternteil - ihren Pflichtteil geltend machen. Dieser Pflichtteil vermindert nämlich das Erbe des (zunächst) überlebenden Elternteils und infolge dessen auch das Vermögen, welches er später seinen Kindern vererbt. Zumindest in Höhe des Pflichtteils können die Kinder dann auch beim ersten Erbfall ihre Steuerfreibeträge nutzen.